Dieses Alphabet ist kein Schriftentwurf. Sondern ein lautes Nachdenken über die Rolle von Design in unserer Gesellschaft. Wie wir in Krisenzeiten wie diesen überhaupt noch als Gestalter*innen arbeiten können und wie wir dabei optimistisch und kreativ bleiben. Dieses Alphabet ist ein Anfang. Es will diskutiert, überarbeitet und erweitert werden.
„Wenn wir Glück haben, wird ein weiteres Alphabet entstehen, eines, das uns erlaubt, eine inklusivere, gerechtere, zartere Sprache zu sprechen. […] Wenn wir Glück haben, lernen wir eine vielfältige, offene, demokratische Geschichte zu erzählen.“ Carolin Emcke
Rundbriefe sind Krisenbriefe sind Liebesbriefe.
Unser alltägliches Werkzeug mit schier unendlichen Möglichkeiten. Unfassbar effizient, aber manchmal schwer zu fassen. Deshalb schätzen wir die Arbeit mit unseren Händen und die Einschränkungen, die das Analoge mit sich bringt: Schriftgrößen, die von Holzlettern vorgegeben sind, die Schönheit von Fehlern und die Endgültigkeit von Entscheidungen. In unserer Werkstatt findet man jenseits der Schreibtische eine alte Druckmaschine, Farben und Papiere, einen Stiftplotter und viele Bücher.
Kommen auf gute Ideen und ergreifen Initiative, wie in Die Bremer Stadtmusikanten. Sie verbünden sich – mit Hunden, Katzen und Hähnen. Und wir fühlen uns verbunden mit Bienen, Seepferdchen, Ottern, Haubentauchern, Schafen, Tintenfischen, Kühen, Tauben, Schweinen – und Eseln natürlich.
Was ist Design?
Wie politisch ist Design?
Was ist gute Gestaltung?
Was kostet Design?
Wie wollen wir leben?
Wie können wir die Welt retten?
Ohne Frage: Auszeichnungen sind schön. Aber: Einreichungen dafür meist aufwendig und kosten eine Menge Geld. Wir sind ein kleines Studio und unsere Zeit ist uns kostbar. Deshalb nehmen wir nur an Ausschreibungen teil, die wenig kosten oder zu denen wir eingeladen werden. Und bei unbezahlten Projekt-Wettbewerben und Pitches sind wir raus.
Wir gestalten für Menschen: In analogen und digitalen Räumen machen wir Inhalte sichtbar. Wir verbinden digitale Techniken mit handwerklichen Verfahren und schaffen Medien zum Blättern, Falten und Klicken. Materialität und Raum sind dafür grundlegend, und ebenso der bewusste Umgang mit Ressourcen. Wir arbeiten mit Organisationen aus Kultur und Bildung sowie für Unternehmen mit sozialem oder ökologischem Auftrag. Machen geht nicht ohne Denken.
Wir alle bewegen uns in sozialen Räumen, in denen wir einer Meinung sind und uns in unserem Denken und Machen bestätigen. Orte der Einig- und Einheitlichkeit, an denen wir uns folgen und liken. Aber wo kommen wir mit anderen Meinungen ins Gespräch? Wie schaffen wir Begegnungen der Unterschiedlichkeit? Wie gestalten wir ohne Barrieren und für Nachbarschaften? Das Abendbrot in Hamburg-Wilhemsburg ist ein Versuch.
„Wenn wir aufhören, alte Muster zu reproduzieren, und beginnen, die Gegenwart wirklich mit offenen Augen zu betrachten, entsteht etwas Besseres. Es ist wichtig zu begreifen, welche Weltbilder mit der Wirkungsmacht von Medien, Instituten, Vorbildern und Industrie transportiert und manifestiert werden. Design versucht, eine weltoffene Disziplin zu sein, versagt aber bei der Umsetzung.“ Matylda Krzykowski
Gestalten bedeutet Verstehen und Verknüpfen. Wir erschließen Zusammenhänge, strukturieren Inhalte und entwerfen Konzepte. Wir stellen Fragen an Schüler*innen und Studierende und uns selbst. Wir haben utopische Ideen und scheitern an der Realität. Wir bleiben offen für Verunsicherung und lesen weiter. Denken geht nicht ohne Machen.
Design ist keine Kunst. Vor der ästhetischen Qualität verfolgt es zuerst einen inhaltlichen oder praktischen Zweck – darauf bezieht sich sein Wert. Design will mitteilen oder überzeugen. Es erzeugt Sichtbarkeit und fordert Aufmerksamkeit. Es soll von möglichst vielen gesehen werden und niemanden ausschließen.
„design ist für alle da, nicht für wenige oder gar einzelne. design will reproduziert sein, vervielfältigt. design haßt das original und den elitären marktwert. es sucht die größtmögliche stückzahl und die größtmögliche verbreitung.“ Otl Aicher
Was brauche ich zum Leben und was, um mich lebendig zu fühlen? Wo hört unser Auftrag auf und wo fängt Freizeit an? Hätte ich gerne mehr Zeit oder mehr Geld? Und was würde ich damit tun? Wofür will ich einmal gelebt haben? Der Fischer in Heinrich Bölls Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral hat eine Antwort.
Aufträge haben häufig keinen Auftrag – keine Haltung. Kritische Gestalter*innen schon. Wer die Form gestaltet, übernimmt auch Verantwortung für den Inhalt. Wer gestaltet, schafft Wirklichkeiten. Wer einen Auftrag hat, kann nicht jeden annehmen.
„We propose a reversal of priorities in favor of more useful, lasting and democratic forms of communication – a mindshift away from product marketing and toward the exploration and production of a new kind of meaning. The scope of debate is shrinking; it must expand. Consumerism is running uncontested; it must be challenged by other perspectives expressed, in part, through the visual languages and resources of design.“ First Things First Manifesto 2000
Damit Aufträge nicht zum Tagesgeschäft werden, gestalten, forschen, veranstalten und initiieren wir zu eigenen Themen. Der Zweifel hat den Anfang gemacht und uns einen Namen gegeben. Das Schweigen führte zur Begegnung mit Sharon Dodua Otoo und schließlich zum ersten Buch unserer Edition. Wir bleiben gespannt.
Alles, was wir als Teil einer Gesellschaft tun oder nicht tun, ist politisch. Alles, was wir gestalten oder nicht gestalten. Design ist eine soziale und kulturelle Disziplin. Es gestaltet unseren Alltag und entwirft unsere Umwelt. Die Qualität unserer Entwürfe ist die Qualität der Welt, in der wir leben.
„Viele Designer[*innen] verstehen ihre gestalterische Arbeit nicht als politisch. [Design ist] aber immer politisch. Design gestaltet die Form, in der eine Gesellschaft ihr Zusammenleben organisiert. Design ist seinem Wesen nach interventionistisch, denn es greift konkret in Objektkonstellationen, Räume, Beziehungen ein. Mit dem Gestalten positioniert sich daher jede[r] Designer[*in] – bewusst oder unbewusst – zur bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Sie wird bestätigt, unterstützt, kritisiert oder unterlaufen (…).“ Friedrich von Borries
„Protest ist zeichenhaft. Weil er auf Öffentlichkeit angewiesen ist, bedient sich Protest immer der bestehenden Bilder- und Zeichensysteme. Gleichzeitig ist er ein symbolisches Spiel von Abgrenzung, Aneignung und Umwertung. Protestbewegungen kritisieren, markieren eine Differenz und müssen von sich behaupten, eine Außenperspektive auf die Gesellschaft einnehmen zu können.“ Basil Rogger
Wichtiges Werkzeug für Plakatgestalter*innen.
Natürlich sind auch wir bei Instagram. Aber wenn wir ehrlich sind, ermüden uns das endlose Scrollen und diese zweidimensionalen „Gemeinschaften“, die durch Algorhytmen geformt werden. Wir wünschen uns mehr Austausch im echten Leben. Gespräche, tiefer als Kommentarspalten. Reaktionen, herzlicher als Likes. Unser Vorschlag: Analog vernetzen!
Im Sommer machen wir eine lange Pause. Eine Unterbrechung vom Alltag, eine Zeit ohne Zweifel und Computer. Eine Zeit für Unsinn, Berge und das Gefühl von Langeweile, das man als Schüler*in in den Ferien hatte.
Es ist schwer zum Denken und Machen zu kommen, wenn nebenbei und rund um die Uhr E-Mails ankommen und Nachrichten anklopfen. Darum sind wir nicht ständig online und überall erreichbar. Unseren E-Mail-Briefkasten leeren wir täglich und rufen zurück, wenn unsere Leitung (nicht) besetzt ist. Freitag ist unser „Ruhetag“, an dem wir über andere Themen nachdenken.
„[Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts muss sich] darauf richten, die Inanspruchnahme knapper ökologischer Ressourcen global gerecht zu verteilen. So würde die Einhaltung des Zwei-Grad-Klimaschutzziels erfordern, dass die jährlichen CO₂-Emissionen pro Kopf durchschnittlich nur noch eine Tonne betragen. Dies setzt einen Prozess des Rückbaus und der Selbstbegrenzung voraus, denn in Mitteleuropa beläuft sich dieser Wert auf 12 Tonnen. Lösbar wird diese Herausforderung auf sozial faire Weise durch eine Postwachstumsökonomie, die fünf Entwicklungsebenen umfasst, nämlich materielle Achtsamkeit (Suffizienz), moderne Selbstversorgung (Reparatur, Gemeinschaftsnutzung, eigene und kollaborative Güterproduktion), eine starke Regionalökonomie (Solidarische Landwirtschaft, Handwerk) sowie eine prägnant verkleinerte und de-globalisierte Industrie, basierend auf einer 20-Stunden-Arbeitswoche.“ Niko Paech
Gestaltung ist Arbeit und braucht Zeit. Deshalb stellen wir nicht das Ergebnis in Rechnung, sondern die Zeit, die wir dafür brauchen.
„Zeit ist umkämpft. Zeit gehört uns und zugleich müssen wir sie weggeben und eintauschen: Indem wir sie als Arbeitszeit verkaufen, wollen wir leben und mitmachen. Zeit ist zunächst eine leere Hülle, in die hinein wir unser Leben formen, gestalten, genießen. Wieweit es Liebe und Genuss ist, hängt auch davon ab, wie viel Zeit wir dafür verbrauchen können.“ Frigga Haug
Wir erheben und speichern keinerlei spezifische Daten über deinen Besuch hier. Unsere Webseite nutzt weder Cookies noch Verknüpfungen zu Drittanbieter-Tools. Und wenn du Daten in ein Formular eingibst, zum Beispiel um dich mit uns analog zu vernetzen, werden diese verschlüsselt per E-Mail an uns gesendet. Datenschutz lang
Design lässt sich vervielfältigen. Aber es kann auch vervielfältigen: Gestaltung kann dazu beitragen, gesellschaftliche Vielfalt sichtbar zu machen. Wir gestalten für eine offene Gesellschaft. Für eine, die kulturell, sprachlich und sexuell divers ist. Vervielfältigen bitte!
Vielleicht ist das alles Quatsch.
Vielleicht denken wir viel zu viel nach.
Vielleicht sollten wir besser was ganz anderes machen.
Aber vielleicht wird es auch gut.
Weniger ist mehr! Als Gestaltungsprinzip im Grafikdesign muss diese These hinterfragt werden. Was ist gute Gestaltung und wer bestimmt das? Wir hinterfragen erlernte Prinzipien und fordern Sehgewohnheiten heraus. Manchmal ist weniger mehr – aber manchmal auch mehr.
„Die Definition guter Gestaltung (zusammengefasst in Prinzipien wie ‚Form folgt Funktion‘, ‚Weniger ist mehr‘), die in einem westlichen, weißen, männerdominierten Kontext entstanden ist, wird bis heute noch sehr oft als ‚objektiv‘ verstanden. Der Glaube, sie sei eine universell anwendbare Gestaltungsformel hält sich hartnäckig – nicht nur in trendigen Lifestyle-Magazinen, sondern auch unter Designer*innen, in ernstzunehmenden Fachpublikationen und in Hochschulen und Universitäten.“ Anja Neidhardt und Lisa Baumgarten
Gestaltung funktioniert nicht alleine. Nicht ohne Inhalt aber auch nicht ohne Gegenüber. Design braucht Verbündete. Kolleg*innen vom Fach und Mitdenker*innen aus anderen Richtungen. Damit ein vielstimmiger Austausch entsteht, zwischen Form und Inhalt und zwischen Menschen.
Wir sind Gestalter*innen. Wir gestalten Buchstaben und ganze Schriften. Wir geben bestehenden Zeichen und Symbolen eine Form und erfinden neue. Wir gestalten Sprache und bilden Realitäten ab. Und so gestalten wir auch mit, wie eine gerechtere Sprache aussieht. Eine, die jede*n meint und nicht nur mitmeint.
„Sprache ist nicht bloß ein neutrales Mittel zur Kommunikation. Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören sind aktive Handlungen, um mit anderen in Kontakt zu treten, Wirklichkeiten zu produzieren und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen – oder zu verhindern.“ Hannah Witte
Ein Studio für kritisches Gestalten und eine Edition für Formate mit Haltung. Vermittlung und Praxis zwischen Denken und Machen. Gestaltung als Auftrag und Werkzeug für eigene Erkundungen. Gegründet 2021 von Simon Wahlers.
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